Skip to main content

Bild: © Sam Schmid, SKW AG

Gossauerbach: Ein Gewässer taucht auf

Wie viele kleinere Fliessgewässer in der Schweiz ist auch der Gossauerbach an vielen Stellen in und um Gossau unter der Erde verschwunden. Im Oberlauf ausserhalb des Siedlungsgebiets hat die Gemeinde den Bach 2021 aus seiner Eindohlung befreit. Nun schlängelt er sich wieder durch die Landschaft und erste Fischarten sind zurückgekehrt. Mit Material aus der ehemaligen Bachverbauung und den entnommenen Ufergehölzen hat die Gemeinde zudem wertvolle Lebensraumelemente am Bachufer geschaffen.

von Christa Grimm & Samuel Schmid

Im Dorfzentrum von Gossau fliesst der Gossauerbach circa 250 Meter eingedolt unter der Strasse. Lediglich 25 Meter verläuft das Gerinne offen mit senkrechten Mauern beidseitig. Aus Hochwasserschutzgründen muss die Gemeinde nun die Durchflusskapazität unter der Strasse erhöhen und will in diesem Zuge das offene Gerinne zugunsten eines fussgängerfreundlichen Zentrums mit beidseitigem Trottoir eindolen.

Als ökologische Ersatzmassnahme musste die Gemeinde einen anderen Gewässerabschnitt auf mindestens der gleichen Länge freilegen. Hierzu fand sich im Oberlauf des Gossauerbaches eine Grundeigentümerin, die bereit war, 50 Meter verrohrten Bachlauf zu öffnen und gleichzeitig 130 Meter ihres Landes inklusive des ehemals kanalisierten Bachlaufes für Revitalisierungsmassnahmen zur Verfügung zu stellen. Dieser nun revitalisierte Abschnitt liegt in Landwirtschaftsgebiet in einer bereits mit Hecken und Magerwiese strukturierten Landschaft.

Die Revitalisierungsmassnahmen erfolgten zwischen Mai und August 2021 durch die Firma SKW AG, einem spezialisierten Unternehmen für naturnahen Wasserbau. Alle Arbeiten fanden in enger Zusammenarbeit mit den betroffenen Akteuren statt (Landwirt:innen, Flurgenossenschaft und kantonale Fachstellen). Auftauchende Fragen wurden im Rahmen eines wöchentlichen Jour fix mit allen Beteiligten besprochen und entsprechende Massnahmen festgelegt. Die Gesamtkosten belaufen sich auf 165 000 Franken inklusive der Entwicklungspflege während der ersten drei Jahre. Der Kanton beteiligt sich mit Beiträgen in Höhe von 82 000 Franken.

Bild: © Samuel Schmid, SKW AG

Ausdolung & Revitalisierung

Bachlauf Zur Ausgestaltung des neuen Gerinnes wurden die vorhandenen Hartverbauungen aus Steinen und Betonrohren entfernt. Mit der Ausbildung einer leichten Pendelbewegung und der Schaffung vielgestaltiger Ufer- und Sohlenstrukturen wurde ein naturnaher Bachlauf mit typischer Wiesenbachcharakteristik modelliert. Die Gerinneführung orientierte sich an erhaltenswerten Elementen wie Uferbäumen und wertvollen Heckenstrukturen sowie den jeweiligen Platz- und Höhenverhältnissen. Als Bestandteil der Revitalisierungsplanung wurde neben einem neuen Auslaufbauwerk zusätzlich eine Überfahrt für die landwirtschaftliche Bewirtschaftung errichtet, welche den revitalisierten Bereich vom Ausdolungsabschnitt trennt.

Die Stabilisierung des neuen Bachlaufs erfolgte mittels ingenieurbiologischer Ufer- und Sohleneinbauten wie Totholzfaschinen, Wurzelstrünken und Weidensteckhölzern. Ein besonderes Augenmerk galt dabei der Erstellung tieferer Fischunterstände, in Form von Wurzelstrunk-Schwellen als geschütztem Rückzugsort in Trockenzeiten. Das Entfernen bestehender Wanderhindernisse kreierte neue Lebensräume für Kleinfische (vorhandene Zielart Elritze) und andere Wasserorganismen. Unter dem Aspekt einer bestmöglichen Schattierung und permanenten Wasserführung der Bachsohle wurde unter Berücksichtigung der geforderten Hochwasserkapazität (HQ 30) das Niederwassergerinne deutlich schmaler als zuvor gestaltet. Durch die Transplantation zwischengelagerter Vegetationssoden konnte entlang der gesamten Wasserlinie eine standorttypische Uferkrautsaumvegetation angesiedelt werden. Diese stabilisiert das Ufer und konnte gleichzeitig per sofort ihre wichtigen ökologischen Funktionen als Lebensraum, Nahrungsgrundlage und Schattenspender erfüllen.

Bild: © Samuel Schmid, SKW AG

Aufwertung Gewässerraum

Im Vordergrund der Revitalisierungsarbeiten stand neben der Wiederherstellung eines naturnahen und dynamischen Kleingewässers auch die ökologische Aufwertung der Gewässerparzelle zur Schaffung eines vielfältigen und wertvollen Landlebensraums und Vernetzungskorridors.

Um das Habitatangebot für terrestrische Kleintiere zu erweitern, wurde das anfallende Material aus der ehemaligen Bachverbauung und der Gehölzdurchforstung für den Bau von ökologischen Strukturelementen wie Steinlinsen, Holzbeigen und Asthaufen verwendet. Diese wurden mit Hohlräumen als Bruthilfe für Kleinsäuger wie Hermeline ausgestattet und an besonnten Standorten entlang des Projektabschnitts in die Böschungsgestaltung integriert. Um auch für Amphibien Lebensraum zu schaffen, wurde ein Stillwasserbereich in Form einer periodisch überfluteten Senke neben dem Gerinne realisiert.

Zur Schaffung artenreicher Wiesen- und Krautsaumtypen wurden die nährstoffarmen Rohbodenflächen mittels Direktsaat begrünt. Eine zusätzliche Bepflanzung mit Gehölzen ergänzt den vielfältigen Gewässerraum. Um die Entwicklung der angelegten Vegetationstypen gezielt zu steuern, wird der Gossauerbach während drei Jahren mit einer Entwicklungspflege durch den Ausführungsbetrieb unterhalten, bevor er nach einem Wissenstransfer an die Folgebewirtschafter übergeht.

Entwicklung des Gossauerbachs

Der Gossauerbach hat sich seit der Fertigstellung im Jahr 2021 zu einem vielfältigen Gefüge an wertvollen Lebensräumen entwickelt. Auf den Rohbodenflächen etablieren sich bereits artenreiche Wiesen- und Krautsaumgesellschaften. Auch die einheimische Fauna scheint Gefallen am erschlossenen Abschnitt zu finden, was sich an einer Vielzahl neuer Bewohner im Wasser und an Land zeigt. Dank der guten Zusammenarbeit aller Beteiligten konnte mit der gelungenen Aufwertung des Gossauerbachs ein Ersatzlebensraum geschaffen werden, der die Eindolung im Dorfzentrum vollumfänglich kompensiert.

Christa Grimm ist Umweltingenieurin und Fachfrau für naturnahen Garten- und Landschaftsbau. Sie arbeitet als Bereichsleiterin Umwelt bei der Gemeinde Gossau (ZH).

Samuel Schmid ist Landschaftsgärtner und hat an der ZHAW Umweltingenieurwesen studiert. Er leitet den Fachbereich Gewässer bei SKW AG.

Mehr Gewässernews

«Ja» zum Stromgesetz und den gemachten Zusagen in Sachen Naturschutz

Das Stromgesetz markiert einen bedeutenden Schritt in Richtung Energiewende und verstärktem Klimaschutz. Aqua Viva empfiehlt daher, am 9. Juni mit «Ja» für das Stromgesetz zu stimmen.

Trift Suite «Die Ermutigung der Wasseramsel»

An Musik- und Gesprächsabenden in Bern, Basel und weiteren Städten erzählt Köbi Gantenbein mit Texten zum Schmunzeln, musikalisch untermalt von der Kapelle Alpenglühn’, warum ein Wasserkraftwerk im Trift-Gebiet keine gute Idee und «was gescheiter zu tun ist».

Zürcher Geld für die Naturzerstörung in den Alpen?

Die Stadt Zürich will sich am Bau eines Wasserkraftwerks im Trift-Gebiet finanziell beteiligen. Das Gebiet ist ein unberührtes Naturjuwel, Lebensraum bedrohter Arten und würde durch den Kraftwerksbau vollständig zerstört.

Uferinitiative für zugängliche und naturnahe Seeufer

Aqua Viva unterstützt die Uferinitiative im Kanton Zürich, über die am 3. März abgestimmt wird. Sie setzt sich für den Schutz, die ökologische Aufwertung und die öffentliche Zugänglichkeit der See- und Flussufer ein. Bei Annahme der Initiative könnten zahlreiche Arten und Lebensräume profitieren.